Café de Colombia - Reisebericht Fairer Handel

Café de Colombia – Tag 10

Dieser Beitrag ist Teil von 8 von 9 in der Serie Café de Colombia - Reisebericht

 

Am nächsten Morgen gibt es Frühstück mit Blick über die grüne Sierra Nevada. Dabei heißt „nevada“ schneebedeckt, doch Schnee gibt es hier in der Karibik selbst in dieser Höhe äußerst selten. Gleich nach dem Frühstück schauen wir uns „Finca Buenos Aires“ an, auf der wir übernachtet haben. Der Name erinnert sofort an die Hauptstadt Argentiniens  Doch übersetzen könnte man den Namen mit „Landgut (Finca) zur guten Luft“ – und gute Luft gibt es hier in der Tat reichlich.

 Dann begutachten wir die Wasch- und Trocknungsanlagen für den Kaffee und sehen auch die Unterkünfte für die Pflücker. Sie sind zum Großteil Saisonarbeiter und kommen meist von weit her aus  ganz anderen Teilen Kolumbiens und sind nur während der Erntesaison auf den Fincas.

Hund Finca Buenos Aires (2)
Der Hund der Familie.

Ist die Erntesaison hier vorbei, ziehen sie weiter oder gehen zurück auf ihre eigenen Fincas. Durch die verschiedenen Klimazonen Kolumbiens gibt es für sie meistens irgendwo Arbeit. Die Arbeiter sind jedoch diejenigen, die am wenigsten bezahlt bekommen – und so frage ich mich, wen das Fairtradesystem eigentlich berücksichtigt. Zwar bekommt man eine Fairtradezertifizierung in der Regel nur, wenn alle Arbeiter den Mindestlohn bezahlt bekommen, doch wie schon in anderen Artikeln beschrieben (hier klicken), liegt dieser in Kolumbien gerade mal bei etwa 300 € und damit zu niedrig für ein gutes Leben.

 

Während die Röster sich die Prozesse genau erklären lassen und einige von ihnen für ihre Webseiten, Newsletter und Instagramaccounts posieren, blödele ich mit drei der Kids herum. Es sind die zwei Brüder, die auf der Finca leben und ihr Cousin, der auf der Nachbarfinca lebt. Sie bekommen hier in der Abgeschiedenheit nicht sooft Besuch, deshalb ist es für sie sicher besonders aufregend so viele Menschen zu Gast zu haben. Wie viele Kinder, sind sie fasziniert von unseren Spiegelreflexkameras. Sie posieren, wollen immer wieder, dass wir Fotos von ihnen machen und freuen sich, als sie schließlich die Kameras in die Hand gedrückt bekommen und sie selbst Aufnahmen machen können.

Schließlich ist es Zeit für ein letztes Gruppenfoto und den Abschied, bevor es an den Abstieg geht. Auf dem Weg ins Dorf, besuchen noch einen Nachbarn mit Finca und bewundern dort den kleinen Gemüsegarten – toll wie durch das warme und feuchte Klima hier alles so viel besser und scheinbar müheloser wächst als in unseren deutschen Gärten!

Ein handzahmer Tucan.

Dann geht es wieder auf Mulis und zu Fuß den Rest der Strecke zurück. Der Rückweg scheint kürzer und weniger anstrengend als der gleiche Weg gestern. Vielleicht auch, weil wir den Weg jetzt schon kennen.

Oder auch, weil wir zwischendurch einen kurzen Halt machen, als wir einen Mann mit einem zahmen Tucan sehen. Er hat das Jungtier gefunden und von Hand aufgezogen, jetzt füttert er dem Tier gerade eine Banane. Wir machen ein paar Fotos und dann geht es weiter Richtung San Javier.

Noch einmal geht es über die Brücke.
Auf Mulis erreichen wir das Dorf.
Männer beim Reinigen des Kaffees.

Als wir das Dorf erreichen, sehen wir Frauen und Kinder aus der Kirche kommen und Männer bei einem Bier auf dem Dorfplatz sitzen. Es ist Sonntag. Einige Männer spielen auch Tejo (sprich: Techo). Wir lassen uns das Spiel erklären. Tejo hat in Kolumbien in etwa die gleiche Bedeutung wie Kegeln in Deutschland. Die Hauptbestandteile des Spiels sind ein Ziel und ein Wurfgeschoss, mit dem es gilt das Ziel aus einiger Entfernung zu treffen. Die Besonderheit ist, dass das Ziel kleine, mit Schwarzpulver gefüllte Päckchen sind und das Wurfgeschoss eine Art metallener Puck. Die Zielpäckchen liegen auf einem Metallring, der seinerseits in einer schräg gestellten Kiste mit Lehm liegt. Trifft man nun mit dem Wurfgeschoss (Tejo, von dem das Spiel seinen Namen hat) eines der Ziele, so gibt es eine kleine Explosion.

Die Männer beobachten das Spiel.
Wir versuchen unser Glück beim Tejo.
Rechts hinten: das Ziel des Spiels.

Unter den interessiert-amüsierten Blicken der Caféteros versuchen wir unser Glück – und scheitern kläglich! Aber es macht sehr viel Spaß. Bei einigen aus unserer Gruppe ist der Ehrgeiz geweckt und sie versuchen sich in einer zweiten Runde. Schließlich geben wir alle auf und bewundern das Spiel der Kolumbianer. Scheinbar mühelos schleudern sie das 1,5  kg Tejo zum für 19,5 m weit entfernten Ziel. Und *bam*/*knall*/*puff* – wieder getroffen!

Nun gut, Tejo-Meister*innen werden wir wohl nicht werden! Da gönnen wir uns doch lieber ein Bier in der örtlichen Kneipe, bevor wir uns endgültig von unseren Gastgebern verabschieden müssen. Auch sie waren ins Dorf gekommen, um hier ihren Sonntag zu verbringen. Wir besteigen wieder die Jeeps und winken zum Abschied noch einmal. Irgendwie sind wir alle beeindruckt von der Arbeit rund um den Kaffee und von den Leuten hier, von ihrer Fröhlichkeit und Gastfreundschaft.

Der nächste Halt ist eine weitere Finca, wo wir schon mit dem Mittagessen erwartet werden. Es gibt Suppe, dann Fleisch, Reis, Salat und frittierte Platano. Same, same.

Währenddessen schielen wir schon zu den zwei Papageien der Familien.

Alle sind ein bisschen erschöpft von den Tagen zuvor, nur manche schaffen es noch, sich höflich mit Fragen an die Gastgeber zu wenden.

Nach dem Essen werden uns  noch die neu gefliesten Bäder und die renovierte Küche als Besonderheit gezeigt. Die Gelder dafür kamen von der Kooperative. Und auch die Anlage zum Waschen und Schälen des Kaffees wurde mit Unterstützung von Red Ecolsierra installiert.

Das ist der Gedanke der Kooperative – das Leben der Menschen hier zu verbessern. Und sie gleichzeitig dabei zu unterstützen, bessere Qualität für den Käufer herzustellen.

Dafür braucht es stabile Partnerschaften mit Importeuren aus Europa. Verlässliche Käufer, die sich auf jahrelange Zusammenarbeit einstellen und einen Teil des Preises bereits im Vorfeld zahlen – so wie z.B. das Café Libertad Kollektiv.
Diese Partnerschaften mit vorab vereinbarten Preisen trägt auch dann, wenn in ungewöhnlich schlechten Kaffeejahren mit hohen Ernteausfällen die Preise am Weltmarkt steigen. Dann nämlich ist sonst die Zeit der „Coyoten“. Das sind fliegende Händler, die im Land herumreisen und bei den Kaffeebauern und –bäuerinnen anklopfen, um Kaffee für die großen Player wie beispielsweise Nestlé zu kaufen. Besonders aktiv werden sie, wenn plötzlich auf dem Weltmarkt nicht mehr genug billiger Kaffee für ihre Produktion zu bekommen ist.

In solchen Jahren kann es sogar passieren, dass diese Zwischenhändler mehr zahlen, als die Fairtradeeinkäufer. Doch durch die Verlässlichkeit und Gemeinschaft ist es für die Mitglieder der Kooperative trotzdem lohnend, auch in diesen Jahren ihren Anteil an die Kooperative zu verkaufen. Denn auch in anderen , als den schlechten Erntejahren gibt es im Dorf natürlich andere Händler, als die Kooperative. Denn es gibt natürlich auch Bauern, die nicht in der Kooperative organisiert sind.

Wer jedoch in einer Kooperation organisiert ist, profitiert nicht nur von einer besseren Marktmacht, sondern auch durch mehr Wissen und bessere Qualität. 

So wird bei Red Ecolsierra der Kaffee teilweise fermentiert, um bestimmte Geschmacksnoten hervorzuholen oder zu betonen.  Dafür wurden extra sogenannte Processunits gebaut.
Hier stehen große Bottiche, die Auffangbehälter für Regenwasser erinnern. In ihnen wird der Kaffee fermentiert. An der Wand hängt eine Tafel mit den „Rezepten“. Hier experimentiert die Kooperative mit aeroben und anaeroben Fermentationen (also mit Lufteinwirkung und ohne).

Prozesse dieser Art kann ein einzelner Bauer kaum umsetzen. Ein weiterer Vorteil der Kooperative.

Nicht nur die Technik und das Wissen, was hierfür nötig ist – auch der schiere Platz/gerade Fläche ist in den Bergregionen oft ein Problem. Meist liegen die Fincas natürlich am Hang, wo der Kaffee besonders gut wächst. Dort ist ebene Fläche Mangelware. Und so kommt es auch vor, dass der bei der Kooperative angelieferte Kaffee noch nicht trocken genug für die Lagerung ist. Dann wird hier im Zentrallager, an das die Processunit angeschlossen ist, auch mal nachgetrocknet.

Hier fermentiert der Kaffee von Red Ecolsierra.
Übersicht über die aktuellen Fermentationsprozesse

Wir steigen auf ein Flachdach mit Sicht über sich endlos  erstreckende Monokulturen von Bananen. Und stehen unter einem wunderbaren Mangobaum, der ab und an seine reifen Früchte mit einem Knall oder einem Platsch (je nach Reifegrad der Frucht) fallen lässt.

Mit den Bananenplantagen im Rücken sehen wir das Kaffeelager. Hier wird der Kaffee auch auf seine Güte geprüft, bevor er verkauft und weitertransportiert wird.

Das Lager von Red Ecolsierra, hier wird gerade Kaffee nachgetrocknet.
In direkter Nachbarschaft: riesige Monokulturen für Bananenanbau.

Wir wandeln noch ein bisschen durch das Labyrinth aus übermannshohen Stapeln von Kaffeesäcken. Und beobachten die Arbeiter der Kooperative dabei, wie sie diese aufstapeln. Es ist heiß, es ist staubig und jeder Kaffeesack wiegt stolze 69 kg – sicher mehr als das Körpergewicht einiger Arbeiter. Ein Knochenjob.

Es ist die letzte Station mit der Gruppe von Red Ecolsierra und so verabschieden wir uns herzlich, bevor uns die Pickuptrucks zurück in die Stadt bringen. In Santa Marta angekommen freuen wir uns alle erstmal über eine Dusche und klimatisierte Zimmer. Anders als in den abends erfrischend kühlen Höhen der Sierra Nevada herrscht in Santa Marta Karibikklima. Das genießen wir auf dem Kirchplatz bei einem leckeren Essen mit viel Kokos, bei tropischer Hitze unter Palmen.

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